Mit dem Bau der Eisenbahnstrecke München-Lindau 1848-53 durch das Westallgäu zogen Gastarbeiter aus Franken, Württemberg und Sachsen in unsere Region. Viele davon waren evangelisch. Von Kempten aus wurde die kirchliche Versorgung behelfsweise organisiert, bis mit Pfarramtskandidat Dobel 1852 ein eigener Eisenbahnseelsorger bestellt wurde. Nach Fertigstellung der Bahnlinie zogen manche Bahnarbeiter wieder fort, die Eisenbahnseelsorge wurde eingestellt. Seitdem waren Lindauer und Kemptener Pfarrer zu Hausgottesdiensten in Lindenberg und Umgebung unterwegs.
Die nächste Zuzugswelle erfolgte in Zusammenhang mit dem Aufschwung der Hutindustrie im Westallgäu. Der Wangener Pfarrvikar Fauser zeigte 1888 in einem Brief an das Dekanat Kempten die Notwendigkeit auf, einen regelmäßigen Gottesdienst in Lindenberg einzurichten. In Lindenberg wurde dieses Anliegen maßgeblich vom Buchhalter der Hutfabrik Reich, Emil Lankow betrieben. Als er 1888 erleben musste, dass sein Sohn nicht evangelisch beerdigt werden konnte, wurde ihm die Sammlung der Gemeinde zur Herzensangelegenheit. Gemeinsam erreichte man, dass seit 1890 mit allerhöchster Genehmigung, 12 evangelische Gottesdienste jährlich in Lindenberg gefeiert werden durften. Am Ostermontag 1890 wurde der erste Gottesdienst in angemieteten Räumen des Gasthauses König begangen. 1890 hatte Lindenberg 2251 Einwohner mit 502 Haushaltungen. Davon waren 2207 Katholiken, 41 Protestanten und 3 Altkatholiken.
Am 16. Juni 1901 rief man den „Evangelischen Verein Lindenberg-Weiler“ ins Leben. Sein Ziel war, das evangelische Leben im Westallgäu zu fördern. 1909 beschloss der Verein den Bau eines Bethauses für die anwachsende Gemeinde. Der Neubau konnte am 14. November eingeweiht werden. Seit 1911 war Lindenberg Sitz eines Pfarrvikars. Erster Pfarrvikar war Julius Wagner. Das Pfarrvikariat gehörte rechtlich zur Evang.-Luth. Pfarrei St. Stefan Lindau. Das Westallgäuer Gemeindegebiet umfasste zu diesem Zeitpunkt 16 politische Gemeinden und 274 Ortsteile. 1912 zählte die Gesamtgemeinde 373 Seelen.
Nach dem I. Weltkrieg wurde in Lindenberg der Wunsch laut, eine eigenständige Gemeinde zu werden. Am 1. August 1926 wurde die Kirchengemeinde Lindenberg zur selbständigen Pfarrei erhoben. 1928 zählte die Gesamtkirchengemeinde Lindenberg 554 Seelen.
1926 und 1928 entstanden neben den alten Predigtstationen Lindenberg und Scheidegg zwei weitere Gottesdienststellen: Weiler und Heimenkirch. Von 1937-1948 wurde die Gemeinde von Ludwig Rauch versorgt. Im Heimenkircher Raum trat ihm der Ruhestandspfarrer Bozenmayer helfend zur Seite.
Nach dem 2. Weltkrieg stand die Kirchengemeinde vor der Aufgabe, den Zustrom von etwa 2500 Heimatvertriebenen aufzunehmen und zu integrieren. Von 1945-1948 wurden Scheidegg und Weiler eigens durch Flüchtlingspfarrer Weinhold betreut. 1948 trat in Lindenberg Pfarrer Helmut Sauer seinen Dienst an. 1949 wurde ein Pfarrvikariat Lindenberg mit Sitz in Weiler ins Leben gerufen. Hierzu gehörten neben Weiler, Simmerberg und Scheidegg auch die Gemeinden Röthenbach, Grünenbach, Gestratz, Maierhöfen und Harbatshofen (damals etwa 1600 Seelen).
In die Aufbaujahre fallen mutige Entscheidungen. Drei Kirchen und Gemeindezentren (1952 Weiler, 4. Dezember 1955 Einweihung der Johanneskirche in Lindenberg - Architekt: Boris von Bodisco/Lindau, Altarbild: Georg Wiessmeier/München, 1963 Scheidegg) und ein Kindergarten (1970 Johanneskindergarten in Lindenberg) wurden errichtet. Weitere Gottesdienststationen wurden in Opfenbach und Röthenbach eingeführt.
1970 löste man Teile des Pfarrvikariats Weiler (Weiler, Simmerberg, Scheidegg) aus dem Verband der Gemeinde Lindenberg und erhob sie zur eigenständigen Pfarrei mit Sitz in Scheidegg. In Lindenberg wurde Klaus Baumgärtel Nachfolger von Pfarrer Sauer. 1974 wurde das Pfarrvikariat Lindenberg mit Sitz in Heimenkirch ins Leben gerufen. Das Pfarrvikariat umfasst die politischen Gemeinden Heimenkirch, Opfenbach, Röthenbach, Grünenbach, Gestratz und Maierhöfen. Etwas später kam die Gemeinde Hergatz hinzu. Erster Stelleninhaber war Pfarrer Gerd Gruber.
Mit der deutschen Wiedervereinigung und dem Zusammenbruch des Ostblocks Ende der 80er Jahre kamen viele Neubürger aus den östlichen Bundesländern und Russlanddeutsche ins Westallgäu. Diesen Personenkreis galt es zu integrieren. Im Jahr 2000 ging Pfarrer Baumgärtel in den Ruhestand. Sein Nachfolger wurde Pfarrer Martin Strauß. 2001 konnte die Gemeinde ein dreifaches Jubiläum feiern: 150 Jahre evangelisches Leben im Westallgäu, 100 Jahre Evangelischer Verein, 75 Jahre selbständige Kirchengemeinde Lindenberg.